Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie steht nicht umsonst im Grundgesetz, gleichberechtigt neben der Meinungs- und Pressefreiheit. Wer sie ins Zentrum einer Debatte stellt, erhebt damit einen starken Anspruch auf demokratische Werte. Aber wer eine Debatte über Wissenschaftsfreiheit als Ablenkungsmanöver für die eigenen radikalen Kürzungen am Fundament unserer Hochschulen nutzt, macht sich unglaubwürdig und erweist diesem wichtigen Thema einen Bärendienst.Während an unseren Hochschulen aktuell darüber diskutiert wird, welche Studiengänge eingestellt und welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen werden – ja, in den Instituten gibt es bereits Sitzungen, in denen die Namenslisten auf dem Tisch liegen –, legt die SPD einen Antrag vor, der darüber im Gegenteil kein Wort verliert. Ich zitiere aus dem Antrag: „Der Landtag erkennt an, dass die Landesregierung ambitionierte Ziele für die Weiterentwicklung der Hochschulen im Rahmen des Hochschulpakts 2026-2030 gesetzt hat.“ Das muss man sich einmal vorstellen: 1 Milliarde Euro Defizit, Entlassung von bis zu 10 % der Mitarbeitenden, Präsidien, die in den sozialen Medien um Hilfe rufen. Dieser Hochschulpakt ist nur dann ambitioniert, wenn man sich zum Ziel gesetzt hat, Forschung und Lehre abzubauen. Die katastrophale Wissenschaftspolitik dieser Landesregierung nun ausgerechnet im Rahmen eines Antrags zur Wissenschaftsfreiheit zu präsentieren ist nicht nur , es ist absurd und ein Affront gegenüber allen Beschäftigten und Studierenden an Hessens Hochschulen.Und morgen wollen Sie auch noch eine Aktuelle Stunde zur Exzellenzstrategie abhalten. Liebe SPD, Ihr Ablenkungsmanöver ist durchschaubar. Wissenschaftsfreiheit ist nicht nur das Recht, frei zu forschen, sondern sie braucht auch real gute Bedingungen, die es überhaupt erst ermöglichen, dieses Recht zu verwirklichen. Dazu gehören Forschungsinfrastruktur, faire Arbeitsbedingungen, Planungssicherheit, Zugang zu Ressourcen, Zeit für Forschung und Lehre. Das bedeutet, sich nicht fragen zu müssen, welcher Studiengang am profitabelsten ist, um ihn zu erhalten. Ja, es ist nicht Ihr Ziel, der freien Wissenschaft aktiv zu schaden. Das unterstelle ich Ihnen nicht. Aber im Ergebnis schaden Sie Bildung und Forschung, weil Sie eben die falschen Prioritäten setzen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, und sorgen Sie für eine auskömmliche und verlässliche Hochschulfinanzierung. Schauen wir in die USA. Dort erleben wir hingegen gerade einen gezielten Angriff auf Wissenschaftsfreiheit – politisch und finanziell. Förderprogramme wie die National Science Foundation sollen radikal gekürzt werden. Forschende verlieren ihre Stellen, internationale Studierende ihre Visa. Wessen Publikationen Wörter enthalten, die auf Listen stehen, verlieren automatisch die Förderung. Harvard steht im Visier politischer Drohungen, weil sie sich weigern, politischen Vorgaben zu folgen. Fast alle anderen Universitäten haben sofort nachgegeben. Das zeigt, wie zerbrechlich Freiheit ist und wie wichtig es ist, sie in guten Zeiten abzusichern.Schauen wir nach Deutschland. Die größte reale Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit sitzt nicht in Washington, sondern in diesem Haus. Herr Kaffenberger, hier sind wir uns einig. Genauso wie Trump will die AfD wissenschaftliche Disziplinen abschaffen, die aus politischen, weltanschaulichen und ideologischen Gründen nicht passen, und sie befördert ein Klima der Angst. Die Wissenschaftsfreiheit zu schützen, heißt, sich gegen rechtsextreme Angriffe zu verteidigen. Gleichzeitig brauchen wir in Deutschland eine Reaktion auf das, was gerade in den USA passiert. Wir GRÜNE haben einen Antrag vorgelegt, der das Thema ernst nimmt und benennt, was jetzt nötig ist: Exilwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu schützen, internationale Talente anzuziehen und zu halten, Forschungsdaten zu sichern, auch gegen autoritäre Einflussnahme. Der Traum, dass reihenweise Professorinnen und Professoren aus Harvard nach Hessen kommen, istillusorisch. Harvard hat mehr Mittel als alle Exzellenzcluster in Deutschland zusammen. Aber es gibtjunge, talentierte Forschende, deren Karrieren gerade abrupt enden, weil die Finanzierung zusammenbricht. Diesen Forschenden müssen wir ein attraktives Angebot machen. Aber wer internationalen Wissenschaflerinnen und Wissenschaftlern ein Zuhause bieten will, darf dieses Zuhause eben nicht wegkürzen.Dazu gehören erfolgreiche Programme wie der Hessenfonds, aber auch leistungsfähige InternationalOffices an unseren Hochschulen, die eben gerade angesichts der Kürzungen der Landesregierungen ganz oben auf der Liste möglicher Einsparungen für die Hochschulen stehen. Freiheit lässt sich nicht mit Sonntagsreden und Schaufensterpolitik verteidigen. Sie zeigt sich hier im konkreten Schutz fürMenschen, deren Freiheit bedroht ist. Es geht um noch mehr als um die akut bedrohten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA. Es geht auch um Wissen. In den USA erleben wir gerade, wie ganze Datenportale zu Klima, Gesundheit oder Demografie gelöscht oder manipuliert werden. Daten sind der Schatz unserer Zeit. Wer Wissenschaft schützen will, muss auch ihre Daten schützen. Dazu können und sollten wir in Hessen einen Beitrag leisten. Ihr Antrag sagt zu diesem Thema nichts, aber vielleicht können Sie, Herr Minister, in Ihrer Rede noch etwas dazu sagen: Gibt es Initiativen der Landesregierung? Gerade mit den Einrichtungen in Hessen, wie der Senckenberg Gesellschaft, dem Deutschen Wetterdienst oder dem Paul-Ehrlich-Institut, aber auch mit unserer forschungsnahen Recheninfrastruktur könnten wir Daten für die Wissenschaft retten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaftsfreiheit ist ein Grundrecht, ja. Aber es reicht nicht, dass aufzuschreiben. Man muss auch danach handeln; denn Wissenschaftsfreiheit lebt denn Wissenschaftsfreiheit lebt nicht von Parolen, sondern von politischer Haltung und von finanzieller Verantwortung. – Vielen Dank.