Manche mögen sich freuen, dass die Wallonie CETA zu blockieren scheint, andere mögen sich ärgern, dass eine einzige Region internationale Verträge in der EU verhindern kann. Versagt die Politik der Konzerne oder versagen die Strukturen der EU? So einfach ist es leider nicht.
Man kann von CETA erstmal halten was man möchte, die aktuelle Verhandlungssituation offenbart ein Strukturproblem der EU. Die EU hat verschiedene politische Ebenen – in Deutschland die Kommunen, die Länder, den Bund und eben die EU. All diese Ebenen sind für unterschiedliche Politikbereiche zuständig. Wir versuchen auf der einen Seite, so viele Entscheidungen wie möglich von der untersten Ebene treffen zu lassen, auf der anderen Seite muss es eine Kontrolle und Koordinierung von höheren Ebenen geben. Politik findet also noch nicht nur auf der einen Ebene statt, sondern ist verflochten zwischen den Ebenen. Rechte, aber auch linke Populist*innen fordern den stärkeren Einfluss von „unten“. Doch auch das ist nicht so einfach.
Das Problem liegt viel eher darin, dass bei der aktuellen Entscheidung über CETA gar nicht die EU, sondern auf dem EU-Gipfel die Regierungen der Mitgliedsstaaten entscheiden. Komplizierte Verhandlungskrimis wie diesen könnte man also auch über mehr europäische Demokratie lösen. Dann würden nicht souveräne Nationalstaaten (im Konsens) abstimmen, sondern das europäische Parlament eine Mehrheitsentscheidung treffen können. Mir ist nicht egal wie Demokratie gemacht wird – auch ein gutes Ergebnis auf einem undemokratischen Weg finde ich nicht gut. Deshalb braucht die EU eine Stärkung des Parlaments.
Sorgen macht mir auch, dass es nur eine Region in Europa zu geben scheint, die CETA kritisch sieht. Zwar erwähnt das Abkommen Umwelt- und Sozialstandards, wird jedoch nicht konkret. Das Abkommen untergräbt das europäische Vorsorgeprinzip im Umwelt- und Gesundheitsschutz, setzt geringe ökologische Standards, bspw. in den Bereichen Genfood und hormonbehandeltes Fleisch & Fisch, und ein Mindestmaß an sozialen Standards in der Produktion wird nicht definiert. Diese Probleme ziehen sich durch alle Handelsabkommen der EU und ein Sinneswandel ist trotz Protesten zu TTIP & CETA nicht in Sicht.
Zum Hintergrund
CETA wurde von 2009-2014 verhandelt, 2015/2016 kam es zu Nachverhandlungen über die Schiedsgerichte. CETA hat der EU Zugeständnisse gemacht und CETA verfügt nun über einen ständigen Gerichtshof, der öffentlich tagt und es gibt die Möglichkeit der Berufung – die taz spricht von „Schiedsgerichten light“. Mit der üblichen Ratifizierung eines solchen Vertrags sollte noch 2016 begonnen werden. Dafür nötig sind, da es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handelt, das sowohl den Kompetenzbereich der EU als auch den der Mitgliedsstaaten betrifft, die Zustimmung des EU-Parlaments und die der 42 nationalen und regionalen Parlamente in den 28 Mitgliedsstaaten der EU.
Doch im März 2016 hat die EU-Kommission angestoßen, dass das Abkommen vorläufig in Kraft tritt. Dieser Beschluss soll am 27. November auf dem EU-Gipfel beschlossen werden.
Es ist jedoch unsicher, ob für diesen Beschluss eine Mehrheit oder ein Konsens unter den Mitgliedsstaaten gefunden werden muss. Ob eine Gegenstimme aus Belgien also tatsächlich ausschlaggebend sein kein, um das Abkommen zu stoppen, ist juristisch fraglich. Politisch wäre es auf jeden Fall bedeutend.