Mit dem neuen Digitalpakt Hochschulen 2026–2031 legt die Landesregierung den Rahmen dafür fest, wie die Digitalisierung der hessischen Hochschulen in den kommenden Jahren gestaltet werden soll. Auf den ersten Blick klingt vieles modern: Cloud, KI, Effizienz, Resilienz. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass der Pakt deutlich hinter den strukturellen, fachlichen und finanziellen Anforderungen einer zeitgemäßen Hochschuldigitalisierung zurückbleibt.
Was gut klingt, bleibt oft vage – und was konkret gebraucht wird, fehlt. Der neue Pakt setzt an entscheidenden Stellen weniger Ambition, weniger Verbindlichkeit und weniger Mittel ein als sein Vorgänger. Gerade in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen ist das ein gefährliches Signal.
1. Ein finanzieller Rückschritt in Zeiten steigender Anforderungen
Der mit Abstand kritischste Punkt ist die Finanzierung. Der neue Digitalpakt stellt jährlich 20 Mio. Euro bereit – damit fällt Hessen unter das Niveau von 2022 zurück. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 standen 38 Mio. Euro für Digitalisierungsmaßnahmen bereit. Das Ziel war, die Finanzierung auf 50 Mio. weiter zu steigern, was von den Hochschulen im Jahr 2020 als jährlicher Bedarf benannt wurde. Inzwischen dürfte dies um einiges höher liegen. Da wird schnell klar: Die 20 Mio. Euro jährlich reichen nicht aus.
Hinzu kommt die allgemeine Kostensteigerung: Personal, Infrastruktur, Softwarelizenzen, Sicherheitsanforderungen – alles ist in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Ein Rückfall auf 20 Mio. Euro bedeutet daher real eine deutliche Kürzung.
Für die Hochschulen heißt das: Damit lässt sich nicht gestalten, sondern lediglich das Nötigste am Laufen halten.
2. Grundfinanzierung ja – aber zu Lasten echter Digitalisierung
Auch als Grüne haben wir uns im Wahlprogramm dafür eingesetzt, einen Teil des Digitalpakts in eine planbare Grundfinanzierung zu überführen. Ziel war es, Bürokratie abzubauen und Hochschulen unabhängiger von jährlichen Projektanträgen zu machen.
Dieser Schritt war jedoch an zwei Voraussetzungen geknüpft: ein gut finanzierter Hochschulpakt und ein weiterhin stark ausgestatteter Digitalpakt, der zusätzlich Innovation ermöglicht.
Beides erfüllt der neue Pakt nicht. Den Schritt der Überführung von 50 Prozent der Mittel, also 10 Mio. Euro jährlich, geht der Pakt aber trotzdem. Die Landesregierung nutzt die Überführung des Digitalpakts in die Grundfinanzierung also vor allem dazu, ein bestehendes Loch in der Hochschulfinanzierung zu stopfen – nicht, um Digitalisierung zu stärken. Damit wird das richtige Instrument in den falschen Kontext gesetzt.
Ergebnis: Statt zusätzlicher Handlungsspielräume wird Mangel verwaltet.
3. Inhaltlich wird der Pakt deutlich dünner
Während der Digitalpakt 2020–2024 noch klare fachliche Zielsetzungen für Forschung, Lehre und Verwaltung formulierte, bleibt der neue Pakt bemerkenswert vage.
In der Lehre wurde ein mehrseitiges strategisches Zielbild durch zwei Sätze ersetzt.
- Es fehlt jede Aussage zu Lehrqualitätssicherung, Lehrendenqualifizierung oder modernen digitalen Prüfungsformaten.
- Für die Forschungsdateninfrastruktur, eines der zentralen Zukunftsthemen für die Wissenschaft, gibt es keine Ziele.
- Die dringend notwendige Weiterentwicklung von Campusmanagementsystemen wird nicht adressiert, obwohl dies ein Versprechen des Koalitionsvertrags war.
- Auch eine Strategie für digitales gemeinsames Lernen – etwa über landesweite Plattformen – fehlt vollständig.
- Selbst im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben wie eine gemeinsame Onlinebibliothek oder eine StudiApp tauchen im Digitalpakt nicht auf.
Der Eindruck entsteht, dass die Landesregierung ihre eigenen digitalen Schwerpunkte noch nicht kennt – oder sich nicht traut, sie zu formulieren, angesichts der knappen Mittel, die sie den Hochschulen zur Verfügung stellt. Wer nicht bezahlt, kann auch nicht bestellen.
4. Innovationsrhetorik ersetzt konkrete Infrastrukturpolitik
Statt klarer Projekte setzt der neue Digitalpakt auf Begriffe wie „Innovationsmotoren“, „Pilotbetrieb“ und „Erkundung“.
Im alten Pakt waren dagegen klare Ausbauziele formuliert: High-Performance Computing (HPC), Forschungsdateninfrastrukturen, Bibliothekssysteme, WLAN- und Netzwerkmodernisierung, Identity-Management-Systeme und virtuelle Forschungs- und Lehrlabore.
Diese Infrastrukturmaßnahmen sind nicht „nice to have“, sondern notwendige Grundlagen für moderne Hochschulen. Im neuen Pakt verschwinden diese Themen vollständig. Die Folge ist eine gefährliche Unschärfe: Ohne klare Zielbilder kann kein Hochschulstandort verlässlich planen.
5. Governance und Informationssicherheit: abgespeckt, obwohl sie wichtiger denn je sind
Der neue Digitalpakt schwächt die Governance-Strukturen ab – obwohl die Herausforderungen durch Cyberangriffe, Compliance, Datenschutz und KI gerade enorm wachsen. Im alten Pakt waren klare Vorgaben zur Informationssicherheit, CIO/CDO-Strukturen und projektübergreifender Koordination fest verankert. Diese Vorgaben ermöglichten erst die gemeinsame Entwicklung und Absicherung digitaler Systeme.
Im neuen Pakt bleibt unklar wie die Hochschulen das erklärte Prinzip „togehter-first“ mit leben füllen sollen, wenn die Steuerungsstrukturen abgebaut werden unter dem Label des Bürokratieabbaus. Aber ohne stabile Governance kann Digitalisierung weder effizient noch sicher umgesetzt werden.
6. Innovationsanspruch und Wirklichkeit fallen auseinander
Der neue Hochschulpakt der Landesregierung legt einen starken Fokus auf Innovation. Doch Innovation braucht Grundlagen: verlässliche Finanzierung, klare Ziele, tragfähige Strukturen.
Mit jährlich 20 Mio. Euro, unklaren Prioritäten und fehlenden Standards wird dieser Anspruch nicht erfüllt. Der geringe Finanzierungsumfang muss eigentlich dafür genutzt werden, das Fundament zu finanzieren, Raum für Innovation beliebt wenig. Gleichzeitig wartet der Digitalpakt mit Träumen über KI Anwendungen und Cloudanwendungen auf, finanziert oder konkretisiert werden diese Träume aber nicht. So kann digitale Innovation an den Hochschulen nicht gelingen.
7. Was jetzt notwendig wäre
Damit Hessen bei der Hochschuldigitalisierung nicht weiter zurückfällt, braucht es:
- eine deutlich stärkere finanzielle Ausstattung,
- klare, verbindliche Zielbilder für Lehre, Forschung und Verwaltung,
- eine Strategie für Cloud, KI und Dateninfrastrukturen, und
- starke Governance-Strukturen und Informationssicherheitsstandards.
Nur so kann Digitalisierung ein Motor für Innovation werden – nicht ein Stolperstein.
Der neue Digitalpakt hat den Anspruch den bestehenden weiterzuentwickeln und sich nach dem Aufbau der Grundlagen in die Zukunft zu entwickeln. Er will Innovation, KI, Souveränität, Cybersicherheit und Cloudtechnologien fördern. Das ist der richtige Ansatz, doch er ist weder konkret genug, um in den nächsten Jahren in die Umsetzung zu kommen, und eben nicht finanziert.
Hessen braucht eine echte Digitalstrategie für seine Hochschulen – nicht nur Schlagworte, sondern konkrete Schritte, die diesen Anspruch tragen.
Hinweis: Bild KI generiert
