Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Koalitionsfraktionen haben heute ihren Antrag zur KI-Zukunftsagenda aus dem Jahr 2022 vorgelegt. Ja, in Hessen passiert einiges. In der Finanzverwaltung, in der Justiz, an unseren Hochschulen gibt es gute Ansätze – von der Analyse großer Datenmengen im Steuerbereich bis zu Tools, die Richterinnen und Richter in Massenverfahren unterstützen. Diese Projekte zeigen: Künstliche Intelligenz kann Verwaltungen und Justiz schneller, effizienter und moderner machen. Das ist gut, aber es reicht nicht, um Hessen wirklich in eine digitale Zukunft zu führen.
Denn Ihre Zukunftsagenda ist schon drei Jahre alt und beschreibt den Status quo der KI in Forschung, Wirtschaft und Verwaltung. Das reicht nicht. Die Möglichkeiten von KI verdoppeln sich jedes Jahr. Ihr Antrag beantwortet in keiner Weise, wie Sie Hessen für die Zukunft aufstellen wollen. Wie reagieren wir auf die rasanten Entwicklungen und Möglichkeiten? Wie stellen wir uns im internationalen Wettbewerb auf? Darauf liefern Sie keine Antworten. Das Bild, das Sie in Ihrem Antrag malen, ist eher das eines Flickwerks: ein Chatbot hier, ein Pilotprojekt dort. Aber eine echte Strategie? – Fehlanzeige.
Schauen wir nach Baden-Württemberg, wo „THE LÄND“ zeigt, wie es gehen kann. Dort gibt es mit F13 eine zentrale KI-Assistenz für die gesamte Verwaltung – ein Fundament, auf dem weitere Lösungen aufbauen können. In Hessen dagegen nur ein Flickenteppich. Der erste Lichtblick, der in diese Richtung geht – der kommt im Antrag noch nicht einmal vor –: 400 Distr@l-Lizenzen für die Finanzverwaltung. Aber genau das ist es, was wir flächendeckend und als Plattform bräuchten. Das Ergebnis Ihres Flickenteppichs sind hohe Kosten, keine Skalierungsmöglichkeiten und am Ende Bürgerinnen und Bürger, die weiter monatelang auf ihre Bescheide warten.
Besonders bitter ist, dass Hessen als eines der wenigen Bundesländer ein eigenes Digitalministerium hat, das ressortübergreifend agieren könnte. Eigentlich müsste genau hier die strategische Steuerung von KI stattfinden. Aber die Realität: Während Baden-Württemberg ohne eigenständiges Digitalministerium F13 ausgerollt hat, hat Hessen nichts Vergleichbares. Die Initiativen kommen vor allem aus dem Finanz- und dem Justizministerium selbst. Ein eigenes Digitalministerium, aber keine Ergebnisse – das ist ein Armutszeugnis.
Noch gravierender: Ihr Antrag beschäftigt sich nicht mit dem Rechtsrahmen. Das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz erlaubt Automatisierung nur in engen Grenzen. Vollautomatische Entscheidungen oder gar Ermessensentscheidungen gehen nicht. KI wird ausgebremst. Es braucht immer einen extra geschaffenen gesetzlichen Rahmen, wenn automatisierte Entscheidungen vorbereitet oder getroffen werden sollen. Diese Regelung ist überholt. Wir brauchen Regelungen, die unsere Verwaltung fit machen für die Zukunft der künstlichen Intelligenz.
Deshalb sagen wir: Es braucht ein KI-Verwaltungsgesetz. Unser Gesetzentwurf, wie wir ihn vorgelegt haben, würde eine allgemeine Grundlage schaffen und damit Verwaltung auf eine klare, transparente und moderne Rechtsbasis setzen. Nur wenn wir grundsätzlich Ja zu KI sagen, kann die Verwaltung die Potenziale von KI wirklich nutzen. Ihr Antrag feiert viele Projekte. Aber wenn Bürgerinnen und Bürger von diesen tollen Projekten erfahren wollen, müssen sie die Pressemitteilungen der Ministerien lesen. Das ist ein Demokratiedefizit; denn diese KIs verarbeiten natürlich Daten von Bürgerinnen und Bürgern – ob in der Steuerverwaltung oder in der Justiz.
Wenn Urteile anonymisiert werden – was ein gutes Projekt ist –, dann werden natürlich erst einmal die Daten von Bürgerinnen und Bürgern verarbeitet, die in der Vergangenheit liegen. Sie werden nicht um Erlaubnis gebeten, ob das passieren kann. Deshalb müssen wir Transparenz schaffen, und zwar grundsätzlich. Das machen wir auch mit unserem Vorschlag des KI-Gesetzes: mit der Einführung eines Transparenzregisters. Doch was ist Ihr Vorschlag? Wie kann digitale Demokratie aussehen? Wie kann der Staat Vertrauen in Prozesse schaffen, wenn künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt? Bisher fehlen darauf jegliche Antworten aus der Koalition. Ein Digitalministerium, dass sich die Digitalisierung für den Menschen auf die Fahne schreibt, muss hierauf eine Antwort finden.
Ihr Antrag feiert „KI made in Hessen“. Ja, wir haben in Hessen richtig gute Gründungen. Der „Startup Monitor“ aus letzter Woche zeigt: Inzwischen geben 45 % der Gründungen an, dass KI bei ihnen eine Rolle spielt. Hessen hat hier Potenzial. Frau Sinemus, deshalb verstehe ich die Entscheidung nicht, dass das Digitalministerium die Finanzierung von AI Startup Rising, einem Programm von hessian.AI, das Gründerinnen und Gründer begleitet und Preise gewinnt, einstellen will. Frau Ministerin, vielleicht können Sie uns mehr dazu sagen, was Ihre Zukunftspläne für AI Startup Rising sind. Wenn wir schon bei hessian.AI sind: Hessian.AI, das sich zum Rückgrat des hessischen KI-Ökosystems entwickelt hat, hat nach einem Jahr Hängepartie nun endlich Gewissheit, was die Finanzierung angeht. Die Gewissheit ist: Es gibt Stillstand statt Wachstum. Erzählen Sie mir nicht wieder, die Errungenschaft sei, dass hessian.AI nicht mehr jährlich, sondern überjährlich finanziert wird. Das war im Digitalpakt auch schon vorher so. Die Finanzierung wurde also in den Hochschulpakt geschoben. Damit sind die Zuschüsse gedeckelt. Trotz steigender Kosten heißt das, in den nächsten fünf Jahren wird Personal abgebaut, nicht aufgebaut, während andere Länder Milliarden Euro in KI-Forschung investieren. Das ist nicht Zukunft, sondern das ist Stillstand.
Mit Blick auf die Kategorie der Erfolgsprojekte, die mit angezogener Handbremse gefahren werden, gibt es auch aus der Justiz etwas zu berichten. Das im Antrag erwähnte und erfolgreich getestete KI-Tool Codefy wird nicht landesweit ausgerollt. FraUKe soll nicht an allen Gerichten zum Einsatz kommen, die mit Fluggastrechten befasst sind. Dasselbe trifft auch für unsere Schulen zu. „KI4S’cool“ wird nur an wenigen 11. Klassen angeboten. Wir bräuchten aber einen KI-Kompetenzerwerb für alle Schülerinnen und Schüler. Wir müssen die digitale Bildung in die Gegenwart holen, mit flächendeckender Medienbildung. Wenn Sie sich also in Ihrem Antrag für Innovationen feiern, dann müssten die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erwarten können, dass diese Innovationen auch in ganz Hessen zur Verfügung stehen. In den Roll-out wird aber nicht investiert. Die Innovation verpufft.
Meine Damen und Herren, wir haben die Wahl: Wollen wir uns mit Pilotprojekten begnügen, oder wollen wir die Chancen von KI wirklich entfesseln? Wir GRÜNE sagen Ja zur KI in der Verwaltung auf einer klaren gesetzlichen Grundlage, Ja zu Innovationen mit echten Strategien, Ja zu Bürgerfreundlichkeit mit Transparenz und Kontrolle. Hessen braucht einen Kraftakt. Hessen braucht ein KI-Verwaltungsgesetz. Hessen braucht den landesweiten Roll-out einer KI-Plattform. Außerdem braucht Hessen angepasste Anwendungen, die im ganzen Land zur Verfügung stehen. Dann bekommen die Menschen in Hessen einen Staat, der einfach funktioniert. – Herzlichen Dank.